Frauen im Film – Part I: Eine Bestandsaufnahme im deutschen Fernsehen und Kino

Film und Fernsehen sind wichtige Medien, die nach einigen Theorien, und wie auch ich finde, gesellschaftsprägend sind. Umso mehr erschreckt es mich immer wieder, wie wenig Diversität wir immer noch auf Bildschirmen vorfinden.

Egal ob vor oder hinter der Kamera, in Deutschland sieht man weiterhin mehr Männer als Frauen im Film. Das ist schon lange keine gefühlte Wahrheit mehr, sondern durch umfassende Studien belegt. Leider konzentrieren sich diese Studien meist auf die binäre Aufteilung „Frau – Mann“, weshalb auch in diesem Artikel nur wenig bis gar nicht auf die Besetzung und Darstellung von Menschen aus ethnischen Minderheiten, aus der LGBT-Community oder von Menschen mit Migrationshintergrund eingegangen werden kann. Ich werde weiter dazu recherchieren und dies in einem weiteren Artikel dieser Reihe nachholen.

Vor der Kamera

Eine der angesprochenen Studien wurde von der MaLisa Stiftung von Maria und Elisabeth Furtwängler in Auftrag gegeben. Erhoben von der Universität Rostock im Jahr 2017, führt die Studie „Audiovisuelle Diversität?“ eindrücklich vor Augen, dass über alle Fernseh-Programme hinweg auf 1 Frau 2 Männer kommen.

Untersucht wurden 3.500 Stunden Fernsehprogramm aus dem Jahr 2016 und über 800 deutschsprachige Kinofilme aus den letzten sechs Jahren.

Einzig bei Telenovelas sei die Aufteilung paritätisch, allerdings machen Telenovelas nur 3 % aller Sendungen aus. Und sind wir mal ehrlich, die darin vertretenen (Geschlechter-)Rollen kann man inhaltlich nicht gerade als progressiv ansehen. So verwundert es auch nicht, dass Frauen über das gesamte Fernsehprogramm hinweg doppelt so häufig im Kontext von Beziehung und Partnerschaft vorkommen.

Das geht ebenso Hand in Hand mit der nächsten Feststellung: Je älter Frauen werden, desto weniger sind sie auf Leinwänden und im Film zu sehen. Sind Frauen älter als 30 Jahre, verschwinden sie sukzessive aus den Programmen und Filmen. Und ab einem Alter von 50 Jahren kommen dann sogar im non-fiktionalen Programm auf 1 Frau gleich 8 Männer. So ist im Informations-TV auch nur jede*r dritte*r Hauptakteur*in (Journalist*innen, Sprecher*innen, Moderator*innen etc.) weiblich bzw. nicht-männlich.

Denken die Sender ernsthaft weiterhin, dass Fakten am besten von (meist weißen) Männern dargeboten werden sollten, weil sie – was? – glaubhafter und identitätsstiftender sind? Ist es wirklich das, was die Zuschauer*innen wollen? Um die Welt zu verstehen, möchte ich sie persönlich von allen auf ihr lebenden Menschen erklärt bekommen – egal welchen Geschlechts, egal welcher Herkunft und auch bitte von Menschen jenseits der 30.

Jetzt könnte man sagen, naja, wenn schon die älteren Generationen den Fortschritt nicht schaffen, dann setzen wir wenigstens bei den Kindern an und vermitteln denen, dass Gleichberechtigung möglich ist. Leider nein. Denn im Kinderfernsehen ist nur jede 4. Figur weiblich und schaut man sich die Fantasiewelten an, so kommen auf 9 männliche Tierfiguren nur 1 weibliche. Worin genau liegt da der Sinn? Außer vielleicht, dass man aus ökonomischen Gründen die ohnehin größere männliche Zielgruppe weiter stärkt?

Figuren zeigen, dass nur jede vierte Figur im Kinder Film weiblich ist
Nur jede 4. Figur im Kinderfernsehen ist weiblich. Quelle: MaLisa Stiftung

Hinter der Kamera

Hinter der Kamera sieht es leider nicht besser aus. Im 5. Diversitätsbericht des Bundesverband Regie, der im Oktober 2018 veröffentlicht wurde, stellt Prof. Elizabeth Prommer, die verantwortliche Wissenschaftlerin an der Universität Rostock der Studie, fest:

„Die bisherigen Bemühungen, den Anteil der Frauen in der Regie zu erhöhen, haben allenfalls die Dimension von ‚Babysteps‘.“

Nur jeder 5. Kinofilm (22%) wurde in 2017 von einer Frau inszeniert, bei der ARD führen 19,8% der Sendezeit Frauen die Regie, beim ZDF sind es lediglich 16,9%.

Selbst der allseits beliebte Tatort weist einen Frauenanteil in der Regie von nur 12 % auf.

Einen Lichtpunkt gibt es immerhin. Denn die Filmförderanstalt (FFA) hat 2018 paritätisch gefördert. So gingen 48% der geförderten Spielfilmproduktionen und Fördergelder an Frauen.

Das Ungleichgewicht liegt bei weitem nicht daran, dass es zu wenig Frauen im Filmbusiness gibt. Frauen studieren seit den 1990er Jahren zu 44% Regie und an den Hochschulen werden ihnen auch Diversität und Gleichberechtigung geboten. Allerdings dürfen von den Frauen dann nur 18,2% beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen und 22% bei der staatlichen Filmförderung ihren erlernten Beruf ausüben. Rundfunkgebühren zahlen wir übrigens alle…

Statistik von Frauen in der Regie im Deutschen Film und Fernsehen
Statistik von Frauen in der Regie im Deutschen Film und Fernsehen

Durch die einseitige Besetzung vor und hinter der Kamera wird Diversität und Pluralität in den vermittelten Inhalten verhindert. Das Fernsehen veraltet und sowohl Sendungen als auch Filmen mangelt es weiterhin an neuen Perspektiven und Herangehensweisen. Auch wenn es dort manchmal mit dem Vorschlaghammer kommt, so gehen in dieser Beziehung Streaming-Dienste wie NETFLIX Wege, denen das Fernsehen und das Kino folgen sollten. Aber dazu mehr in einem anderem Artikel.

Alternativ können wir auch einmal mehr zum Vorbildnachbarn Schweden schauen. Dort hat Anna Serner, CEO beim Schwedischen Filminstitut 2013 durchgesetzt, dass Filme von durchschnittlich 50% Regisseur*innen, 50% Produzent*innen und 50% Drehbuchautor*innen gemacht werden. Und siehe da, seitdem räumen schwedische Produktionen bei internationalen Filmfestivals zunehmend Preise ab. Manchmal hilft Quote halt doch.

Trauerspiel Deutsche Kinofilme 2018

‚Hinter der Kamera‘ ist mehr als Regie. Abgesehen von Maske, Casting, Sound etc. sind natürlich die Positionen Kamera und Schnitt nicht ganz unwesentlich bei einer Produktion. Oft sitze ich im Kino oder vor dem Fernseher und halte am Ende eines Films neugierig im Abspann nach Namen auf diesen Positionen Ausschau, die aus dem Schema fallen. Doch auch hier lese ich gefühlt fast nur männliche Namen.

Leider gibt es noch keine aktuellen Studien zur Besetzung von Kamera und Schnitt im Deutschen Film. Doch ich habe mir mal die Zeit genommen und mir große deutsche Kinofilme angeschaut, die 2018 anliefen. Das Ergebnis ist – Überraschung – ernüchternd:

Von 47 analysierten Filmen, führten bei gerade einmal 5 Filmen Frauen Regie. Bei ebenso 5 Filmen wurde eine Kamerafrau engagiert. (Sidefact: Oft wird immer noch „weiblicher Kameramann“ gesagt und in der imdb-Datenbank wird gar nicht gegendert.)

Einzig beim Schnitt sieht es etwas rosiger aus. Hier arbeiteten immerhin bei 16 Filmen Frauen als Cutterin.

Vom 7. bis 17. Februar findet zum 69. Mal die Berlinale in der Hauptstadt statt und auch hier habe ich mir das Programm etwas näher angeschaut. Bei insgesamt 92 deutschen Filmen führten bei 42 Filmen Frauen Regie (38,64%). Das lässt hoffen. Wobei man dazu sagen muss, dass von den 92 Filmen 16 Filme in der Kategorie Retrospektive zum Thema „Das Filmschaffen von Regisseurinnen der BRD und der DDR in den 1960er – bis 1990er-Jahren“ laufen und damit bewusst Filme von Frauen ausgewählt wurden. Doch auch das ist ein gutes Zeichen, das wir sehr begrüßen. Auch wenn trotzdem noch viel zu tun bleibt.

Wer sich mehr mit dem Thema der Retrospektive auseinander setzen möchte, dem oder der seien die Veranstaltungen im Rahmen der Berlinale empfohlen, zum Beispiel diese oder diese.

Und wer sich die zugrunde liegenden Studien vollständig anschauen möchte, wird hier (Diversitätsbericht) und hier (Audiovisuelle Diversität) fündig.

geschrieben von Melanie Hauke